Fünf neue Windkraftanlagen bei Wartenberg

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Spatenstich für neuen von Hessenenergie entwickelten Windpark

WARTENBERG (ol). Bereits kurz nach dem Kernkraftwerksunfall in Fukushima und dem Beschluss der Bundesregierung zur Energiewende und dem Ausstieg aus der Kernenergie hat sich die Gemeinde Wartenberg im November 2011 an die Hessenenergie gewandt, um die Möglichkeiten einer zukünftigen Windenergienutzung auf dem Gemeindegebiet zu untersuchen.

Den symbolischen ersten Spatenstich nahmen nahezu alle Beteiligten des Projekts vor - nahe dem zukünftigen Windpark, der bis Sommer 2017 ans Netz gehen soll · Foto | privat
Den symbolischen ersten Spatenstich nahmen nahezu alle Beteiligten des Projekts vor - nahe dem zukünftigen Windpark, der bis Sommer 2017 ans Netz gehen soll · Foto | privat

Mittels eines „Windenergie-Checks“ sollte eine Steuerung der Windenergienutzung vorgenommen und einer Verspargelung im Gemeindegebiet entgegengewirkt werden, da der damals im Entwurf vorliegende Teilregionalplan Energie Mittelhessen mehrere Windvorranggebiete in der Gemeinde vorsah, teilte die Gemeinde Wartenberg in einer Pressemeldung mit. Als ein Ergebnis des „Windenergie-Checks“ sei von Hessenenergie schließlich der „Steinberg“ als das am besten in der Gemeinde Wartenberg geeignete Gebiet ermittelt worden. Im Juni 2012 sei ohne Gegenstimmen der Gemeindevertretung ein Städtebaulicher Vertrag zur Entwicklung der Windenergienutzung in Wartenberg zwischen Kommune und dem Projektierer abgeschlossen abgeschlossen worden.

„Wir freuen uns, dass es endlich soweit ist und wir mit den Baumaßnahmen am „Steinberg“ beginnen können“, freut sich Gerd Morber von der Hessenenergie, der das Projekt von Anfang an kenne und auch die Gespräche mit der Gemeinde im Jahr 2011 geführt habe. Eine Besonderheit bei der Planung und Durchführung des Genehmigungsverfahrens in Wartenberg sei die Beantragung eines freiwilligen förmlichen Genehmigungsverfahrens gewesen. So hätten die Bürger die Gelegenheit bekommen, alle Antragsunterlagen, die öffentlich ausgelegt worden seien, einzusehen und bei einem zweitägigen „Erörterungstermin“ im Januar 2016 Anregungen und Bedenken ins Verfahren einzubringen. Schriftlich oder mündlich vorgebrachte Einwendungen seien dann eingehend vom Regierungspräsidium (RP) in Gießen geprüft worden. Schließlich sei im November 2016 grünes Licht für den Bau des Windparks vom RP gegeben worden.

Betreiber des Windparks soll die ovag Energie AG werden, die die meisten der von ihrer 100%-igen Tochter Hessenenergie entwickelten Windparks in ihrem Portfolio von Stromerzeugungsanlagen, die erneuerbare Energien nutzen, führt. „Damit haben wir nun deutlich die 100 Megawatt-Schwelle bei der installierten Windenergieleistung überschritten“ freut sich Dr. Hans-Peter Frank, verantwortlich bei ovag Energie AG für den Bereich Handel und Erzeugung und Mitgeschäftsführer beim Windparkprojektierer.

„Damit werden wir in einem Zeitraum von rund zwölf Monaten das vierte Windenergieprojekt in der Region ans Netz bringen. Einmalig für unser Unternehmen. Wir festigen damit unsere Vorreiterrolle auf dem Gebiet in Oberhessen.“ „Regionale Energiewende ist damit untrennbar mit unserem Unternehmen verbunden“, betont Rainer Schwarz, Vorstand der ovag Energie AG. Gleichzeitig dankte er den Gemeindevertretern und den Freiherren von Riedesel zu Eisenbach, auf deren Waldgrundstücken drei beziehungsweise zwei der Anlagen stehen werden, für die gute Zusammenarbeit, die „Hand in Hand“ stattgefunden habe. „Wir legen großen Wert auf regionale Wertschöpfung in unseren Projekten“, ergänzt er, „sodass von der Investitionssumme von rund 24,5 Millionen Euro auch Firmen und Bevölkerung aus der Standortumgebung profitieren können.“

Bis die neuen Anlagen in Wartenberg Windstrom liefern, werde es nach dem Projektzeitplan Sommer 2017 werden. Die fünf Anlagen vom Typ Vestas V-112 haben eine laut Pressemeldung eine installierte elektrische Leistung von je 3,3 Megawatt. Mit einer Nabenhöhe von 140 Metern und einem Rotordurchmesser von 112 Metern werden sie eine Gesamthöhe von rund 196 Metern aufweisen und entsprechen damit der derzeit üblichen Leistungsstärke.

„Wir erwarten an diesem windbegünstigten Standort einen Jahresstromertrag von etwa 29,5 Millionen Kilowattstunden, entsprechend dem Jahresbedarf von rund 8.400 Haushalten – ein Ertrag, der sich für Mittelgebirgsstandorte gut sehen lassen kann“, betont Dr. Frank. „Damit praktizieren wir Ressourcenschutz und entlasten die Atmosphäre mit rund 17.800 Tonnen klimaschädlichem CO2 aus der herkömmlichen Stromerzeugung.“

Bürgermeister Dr. Dahlmann habe sich nicht einfach auf die klare Beschlusslage der Gemeindegremien zurückgezogen, sondern sich persönlich hinter die Windkraft gestellt. Diese sei „ein gutes Instrument, auch wenn die Energiewende vielleicht zu schnell und mit handwerklichen Fehlern“ gekommen sei. „Für uns als Gemeinde ist es aber ein Glücksfall, dass wir am Rande des Vogelsbergs über sehr gute Windverhältnisse und auch eigene Waldflächen verfügen, die wir gemeinsam mit einem privaten Waldeigentümer in das Projekt einbringen konnten.“ So könne der Bürgermeister nicht nur aus dem Rathaus auf die Windräder blicken, sondern werde zukünftig auch einen erheblichen Beitrag im Kommunalhaushalt als zusätzliche Pachteinnahme in sechsstelliger Höhe jährlich verbuchen.

Dass die Flächen überhaupt Eingang als Vorrangfläche in den Teilregionalplan Energie Mittelhessen gefunden hätten, sei nicht zuletzt dem Projektierer zu verdanken. „Mit unseren ausgiebigen naturschutzfachlichen Untersuchungen an diesem Standort konnten wir nachweisen, dass Natur- beziehungsweise Artenschutz und eine nachhaltige klimaschonende und risikoarme Energieversorgung in Einklang zu bringen sind“, hatte Manuel Esterle, verantwortlich bei der Hessenenergie für das erfolgreich verlaufene Genehmigungsverfahren, im Vorfeld zum Termin betont.

Hervorzuheben sei das an diesem Standort in enger Abstimmung mit der Oberen Naturschutzbehörde des RP Gießen sehr sorgsam umgesetzte Verfahren zum Schutz der Haselmaus. „Insgesamt 50 Haselmäuse wurden im Herbst 2016 eingesammelt und parallel im nahen Umfeld besonders für diese Art geeignete Sträucher gepflanzt, um das Habitat dieser schützenswerten Spezies gezielt aufzuwerten“, erklärt Ingo Deitermann vom Projektierer, der nahezu täglich vor Ort die Bau- und Naturschutzarbeiten koordiniere und auch die Baukosten in diesem komplexen Projekt im Blick haben müsse. „Vier der fünf Baufelder sind schon für den Fundamentbau vorbereitet, am fünften Standort sind noch archäologische Restarbeiten erforderlich, um den Fundamentbau auch dort starten zu können. Wir sind also voll im Zeitplan.“

Tatsächlich böten die im Baufeld befindlichen Hügelgräber die besondere Gelegenheit einer intensiven, von der Abteilung Archäologie des hessischen Landesamtes für Denkmalpflege veranlassten, Ausgrabung und Dokumentation, deren Funde und Ergebnisse erst noch auszuwerten seien.

In den nächsten Monaten werden Bauverkehr und anschließend die Schwerlasttransporte mit den riesigen Anlagenteilen über die Kreisstraßen rollen. „Aus logistischer Sicht ist die Anfahrt hier allerdings sehr komfortabel, da die Standorte über die B254 und die L3140 auf kurzem Weg an die Autobahn A5 angebunden sind und dadurch die Anwohner hoffentlich nur wenig belastet werden“, erwähnt der Vertreter vom Anlagenhersteller Vestas.

Bericht | Redaktion